Auswirkung des Solarpakets I auf den Netzanschluss von Erzeugungsanlagen

Einleitung

Das bereits 2023 angekündigte „Solarpaket I“, welches unter anderem verschiedene Änderungen an der bestehenden Nachweis-Systematik für den Netzanschluss von Erzeugungsanlagen (EZA) vorsieht, ist mit Veröffentlichung verschiedener Gesetzesänderungen im Bundesgesetzblatt am 16.05.2024 in Kraft getreten. In diesem Beitrag soll nun über die Auswirkungen auf die Nachweispflichten für neue EZA im Sinne der VDE-AR-N 4110 (insbesondere Verpflichtung zur Vorlage von Anlagenzertifikaten) informiert werden. Basis hierfür sind die aktuelle Fassung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweisverordnung (NELEV), der zugehörige VDE/FNN-Hinweis sowie die Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung (EAAV).

Bestehende Vorgaben

Vor den am 16.05.2024 erfolgten Änderungen war die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage von Anlagenzertifikaten allein in NELEV §2, Absätze (2), (2a) und (2b) geregelt. Diese sehen grundsätzlich die Verpflichtung zur Anfertigung von Anlagenzertifikaten ab einer kumulierten maximalen Wirkleistung von 135 kW vor (im Zweifelsfall ist die Entscheidungshilfe des VDE/FNN zu konsultieren). Zudem ist gemäß NELEV §2 (2b) ein Mindestumfang für Anlagen bis zu einer maximalen Wirkleistung von 950 kW vorgegeben, welcher umgekehrt die Ausstellung von Anlagenzertifikaten B „unter Auflagen“ (befristet bis 31.12.2025) erlaubt. Die genannten Absätze sind weiterhin unverändert gültig. Daneben wird in der VDE-AR-N 4110 mit unterschiedlichem Nachweisumfang noch zwischen Anlagenzertifikaten A (für EZA mit einer maximalen Wirkleistung > 950 kW), Anlagenzertifikaten B (für EZA mit einer maximalen Wirkleistung von bis zu 950 kW) und Anlagenzertifikaten C (Einzelnachweisverfahren) unterschieden. Zur Bestimmung des anzuwendenden Nachweisumfangs wird als „maximale Wirkleistung“ jeweils die Angabe PE,max der installierten Erzeugungseinheiten (EZE) an einem gemeinsamen Netzanschlusspunkt (NAP) aufsummiert.

Änderungen zum 16.05.2024

Mit den am 16.05.2024 erfolgten Änderungen durch den Gesetzgeber – insbesondere Hinzukommen des neuen Absatzes (4) in NELEV §2 – werden die Leistungsbereiche, in denen Anlagenzertifikate zwingend für den Netzzugang erforderlich sind, eingeschränkt. Die Ausnahme von der Verpflichtung zur Vorlage von Anlagenzertifikaten gilt dann für EZA des Typs B, die …

  1. eine maximale Einspeiseleistung von 270 kW am NAP erbringen,
  2. eine kumulierte installierte Leistung von bis zu 270 kW am NAP aufweisen,
  3. über gültige Einheiten- und Komponentenzertifikate verfügen.

Zusätzlich ist diese Ausnahme auch anzuwenden auf EZA Typ B, die eine kumulierte installierte Leistung von über 270 kW und bis zu 500 kW am gleichen NAP in der Mittelspannung oder höheren Spannung aufweisen, wenn zusätzlich ein übergeordneter Entkupplungsschutz (üEKS) vorhanden ist.

Bezug zu technischen Angaben im Netzanschlussverfahren

Die oben beschriebenen Leistungsbereiche im Wortlaut der NELEV sind zunächst nicht ohne weiteres den gängigen technischen Leistungsangaben in den einschlägigen Dokumenten des Netzanschlussverfahrens (z. B. Einheitenzertifikate, Formulare E.8 und E.9) zuzuordnen. Hier schafft der eingangs erwähnte VDE/FNN-Hinweis Abhilfe. Dort sind in Abschnitt 4.1 zunächst die Leistungsbegriffe näher definiert:

  1. Bei der Berechnung der „kumulierten installierten Leistung“ i. S. d. NELEV §2 Abs. (4) Satz 1 ist immer die gesamte Leistung aller EZE zu summieren. Es wird hier nicht unterschieden zwischen alten EZE, bestehenden EZE, neuen EZE, und auch nicht zwischen Typ 1- und Typ 2-EZE. Maßgeblich ist also die Summe der maximalen Einspeisewirkleistungen aller EZE ΣPE,max (PE,max entspricht i. d. R. dem 10-Minuten-Mittelwert P600). Bei EZE, für die keine Angabe zu PE,max vorliegt, ist deren Bemessungswirkleistung PrE anzusetzen.
  2. Bei dauerhafter passwortgeschützter Leistungsreduktion in den EZE kann für diese auch die reduzierte Leistung PE,max,red verwendet werden

Hinweis: Es sind auch bei Typ 2-EZE, also z. B. PV-Wechselrichtern, immer die AC-Leistungen anzusetzen. DC-Leistungen („kWp“) spielen im Rahmen der Netzanschluss-Nachweisführung generell keine Rolle.

Weitere Konkretisierungen der Angaben aus NELEV §2 Abs. (4) macht der VDE/FNN-Hinweis in Abschnitt 4.2:

  1. Im Allgemeinen ist kein Anlagenzertifikat erforderlich, sofern die kumulierte installierte Leistung ΣPE,max < 270 kW ist und die vereinbarte Anschlusswirkleistung PAV,E ≤ 270 kW (Angabe findet sich im Netzbetreiberabfragebogen E.9) beträgt.
  2. Dies gilt auch für die Konstellation ΣPE,max ≤ 500 kW und PAV,E ≤ 270 kW; dann muss zusätzlich ein üEKS vorhanden sein.

Für alle übrigen Anlagenkonstellationen sind weiterhin Anlagenzertifikate nach den Maßgaben der NELEV §2, Absätze (2), (2a) und (2b) erforderlich.

Auswirkungen auf den Nachweisumfang

Je nach vorliegender Anschlusssituation bzw. Kombination aus ΣPE,max und PAV,E sind unterschiedliche Nachweisumfänge für den Netzanschluss erforderlich. Dies reicht von einem einfachen Nachweis mit Einheitenzertifikaten und Inbetriebnahme gemäß VDE-AR-N 4105 für EZA mit ΣPE,max < 135 kW bis hin zu Anlagenzertifikat und Konformitätserklärung nach VDE-AR-N 4110 bei EZA mit ΣPE,max > 500 kW oder PAV,E > 270 kW. In Einzelfällen sind möglicherweise auch Besonderheiten der Technischen Anschlussbedingungen (TAB) des zuständigen Netzbetreibers zu beachten.

Neben den bereits angeführten Verordnungen und Richtlinien hat der Gesetzgeber auch die bereits oben erwähnte EAAV, ebenfalls mit Wirkung zum 16.05.2024, erlassen. Diese definiert bestimmte (Schutz-)Einstellungen für EZA, welche unter die oben erläuterten Bestimmungen aus NELEV §2 Abs. (4) fallen.

Folgende Grafik gibt einen groben Überblick über die Nachweisumfänge in den entsprechenden Anlagen- bzw. Leistungskonfigurationen.

Solarpaket I Netzanschluss.png

Zusammenfassung

Dieser Beitrag informiert ausführlich und anschaulich über die Auswirkungen auf die Nachweispflichten für neue EZA im Sinne der VDE-AR-N 4110 (Verpflichtung zur Vorlage von Anlagenzertifikaten) der Neuregelungen des „Solarpakets 1“, welche sich insbesondere in der aktuellen Fassung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweisverordnung (NELEV), dem zugehörigen VDE/FNN-Hinweis sowie der Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung (EAAV) finden. Anhand der dargelegten Informationen soll Elektroplanern und anderen Stakeholdern ein kompakter Einstieg in die komplexe Thematik ermöglicht werden.

Hinweis

Dieser Blogbeitrag dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine Rechtsberatung. Maßgeblich sind immer die gesetzlichen Vorgaben in ihrem vollen Umfang. Die 8.2 Certification GmbH haftet nicht für die Vollständigkeit des vorliegenden Beitrags sowie der weiterführend verlinkten und/oder angegebenen Quellen und Verweise.

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